Seit Mitte August, nach fast sechseinhalb Monaten unfreiwillig in Deutschland, hatte die Straße mich und meine Gang wieder.
Herr Anders nun mit neuem Innenausbau und Aufrüstung in Sachen Küche und Strom war nun eigentlich auch bestens vorbereitet, aufbereitet und gerüstet. Pipacs, der kleine Knödel wurde kurz vor Abreise noch geimpft und durchgecheckt und meine Gegenwart wollte los.
Na dann! Der Anfang behielt exakt dieselbe Gefühlslage wie letztes Jahr. Nur mit dem Unterschied, dass dieses Mal meine gesamte Familie anwesend gewesen ist. Mir saß der Kloß im Hals und mich verließen auch wieder ein paar Tränen. Aber mein Verstand regelte das recht fix und sagte: „Beruhige dich! Ist doch nix neues mehr!“ Okay. Ich stieg also zu Pipacs in Herrn Anders und fuhr mit flattrigen Herzen davon.
Nach dem zweiten Mal bremsen blinkten die ABS- und ESP Leuchte auf. Herr Anders blieb also schon mal seinem Namen treu und Pipacs und ich waren nach ein paar Minuten im Reiseflow. Ich hatte wirklich gedacht, es würde länger dauern. Aber so ist es auch perfekt.
Für manche ist diese Entscheidung nicht nachvollziehbar und ja es wirkt, als ob ich genau dieselbe Route abfahre, wie beim ersten Mal. Aber nur für den Anfang. Und es gibt einen Grund dafür.
Dass man nicht mehr in Deutschland ist, merkt man an den Straßen. Für 49okm brauchten wir knappe sieben Stunden. Es ist tatsächlich ein ulkiges Gefühl, wenn man in einem fremden Land Menschen besucht, die man vor einem Jahr kennengelernt hatte und das gerade Mal für zwei Wochen. Wenn dann noch einer von denjenigen dabei ist, der einem ans Herz gewachsen ist, dann … Brauchte ich erstmal eine Pause. Es war so weit, die letzten zehn Minuten bevor wir ankamen, stellte ich Herrn Anders auf einem Acker ab. Neben einer Mühle. Erinnerungen kamen hoch.
Ich war ganz durcheinander. Ist das gerade die Realität? Seit Monaten wartet man auf ein Wiedersehen und dann ist es so weit und dann kann man es gar nicht richtig greifen.
Das Geräusch vom knirschenden Sand unter den Reifen als wir eintrafen, werde ich wohl nie vergessen. Und dann stand er da. Meine Güte mein Grinsen reichte bis nach Meppen. Ich hielt an, stieg aus und sprang ihm in die Arme. Martial, wie eh und je. Dünn, längere Haare und nach wie vor kein Wort Englisch sprechend. Man hat das gut getan ihn wiederzusehen. Welches für exakt zweieinhalb Minuten angedauert hatte, denn er war auf dem Weg zu seiner Freundin nach Paris. Dieses Mal war unser Stellplatz gleich vorne an und nicht wie letztes Jahr vor der Kirche. Na? Kleine Ahnung um wen es geht? :)
Schon sehr witzig wie dämlich man sich manchmal benimmt, wenn man total normal wirken möchte. Seit fast einem Jahr haben wir uns nicht gesehen und nun stand ich einfach so vor ihm. François. Logisch, wenn es schon ein Franzose ist, dann völlig selbstverständlich ein François. Boa und die Umarmung tat so unfassbar gut. Herrje. :)
Neue Details zum Thema Reifen, bezogen auf Herrn Anders. Die Zentralverriegelung geht nicht mehr. :) Und zum Thema Pfoten. Pipacs ist ein Hotel. Ein Hotel für Flöhe, durch die Katzen hier. :)
~ mithelfen auf einem kleinen Event, mit Sicherheitsvorkehrungen. Versteht sich! ~
~ auch Herr Anders darf mal helfen ~
Es wurde auch hier kühler, vor allem nachts. An dem Tag hatte ich vorerst zum letzten Mal das Zelt geöffnet. Ich hatte meine Augen geschlossen und gemerkt wie ich auf das Geräusch vom Reißverschluss horchte. Krass wie sehr ich Details feiere. „Have a good run“, sagte Francois. Aber heute war mir nicht nach laufen. Heute nehme ich mir Zeit.
6.3o Uhr, der Nebel wabert sich schwerfällig durch die Bäume und wickelt auch mich darin ein. So schlimm fand ich es nicht, denn es passte ein bisschen zu meiner Stimmung. Mein Herz war schwer und ich hatte einen Kloß im Hals. Die ersten Tränen kullerten und noch wusste ich nicht so richtig weshalb. Es war eine Mischung aus Vorfreude und Abschiedsschmerz.
Es wurde Zeit weiterzufahren. Es war der perfekte Moment. Wie sagt immer? Höre auf deinen Bauch und der sagte Klar und deutlich: „weiter geht’s!“
16 Tage war ich nun hier. Fast wie letztes Jahr, nur mit dem Unterschied, dass ich nun meine Gefühle teilen durfte. Was für eine schöne Zeit. Zwei Wochen volle Eskalation der Gefühle mit derselben vollen Breitseite an Realität. Ich habe selten die rosarote Brille auf und genieße somit doppelt den Moment, ich schwör! Oder ich habe mega die rosarote Brille auf und bin deswegen trotzdem nicht realitätsfern. Hmm okay darüber muss ich nochmal nachdenken.
Und warum fährst du dann, wenn's so schön ist? Weil es zum einen meine Reise ist und zum anderen es in einer Enzyklopädie enden würde. Es ist trotzdem schön. Und das bleibt es auch.
Mir ging es gut! Und dennoch rollten mir die Tränen in Bächen runter. So sehr hatte ich mich auf meinen Bruder gefreut und so sehr schmerzte es hier „Ahoi“ zu sagen.
Nach viereinhalb Stunden kamen wir auf dem Hügel an. Als ich meinen Bruder im Rückspiegel sah, wurde ich ganz ruhig. Das Bild von ihm im Seitenspiegel von Herrn Anders werde ich wohl auch nicht vergessen. Detail … Mein Herz machte einen kleinen jauchzigen Freudensprung als ich ausgestiegen bin und ich fühlte mich direkt geerdet.
Tja und der Ort? Wat soll ich schreiben? Mehr geht nicht! Freunde, das ist einfach purer Luxus für mich, als Reisende.
Bungalowhäuschen mit einem Zimmer, Küche, Klimaanlage. Pool, Wi-Fi und Hunde willkommen. Ich bin im Himmel. Für eine komplette Woche. Und unendlich dankbar.
~ sogar Pipacs Häuschen ist am Start ~
Der Wecker klingelte. 6:3O Uhr. Die Jungs fuhren ab. Sie sind seit gestern fertig auf der Baustelle. Noch wirkte es auf mich wie jeden Tag. Als ob sie am Nachmittag „nach Hause“ kämen. Mein guter Meister Verstand übernahm sofort die Oberhand und funkte dazwischen: „Illusion!“ „Ja, ja ist ja gut! Ich gehe laufen. Mäh, lass mich!“ Dieses Mal blieb ich oben auf dem Hügel und lief im Zickzack durch die Gegend. Auf der Suche nach der richtigen Strecke. Ich fühlte, wie sich die Unsicherheit in mir ausbreitete. Hmm...und fand mich auf der Landebahn der Segelflieger wieder. Es nieselte und es war immer noch dunkel. „Heute also keine Sonne. Heute also Kultur“, dachte ich. Na dann. Eine Stunde Fußweg zum Schloss. Easy. Nebenbei hatte ich mir den Weg verschönert durch Telefongespräche mit Freunden, denn der führte an einer Straße entlang.
~ Wow, es hatte sich gelohnt!~
Auch, wenn der Rückweg mir wirklich die Lust genommen hatte. Nach 3,5h Stunden gönnte ich mir erstmal eine ordentliche Portion Pasta mit frischen Tomaten und Pipacs bekam ein extra großes Schweineohr. Fräulein Klärchen kam auch wieder raus. Schön.
Danach bin ich in Herrn Anders gesprungen, um fix meine gewaschene Wäsche zu holen und noch Wasser und Milch zu kaufen.
Tja wurd nix. Ich hatte eine Abfahrt zu früh genommen im Kreisverkehr und landete auf dem Parkplatz von Decathlon. Warum nicht? dachte ich mir. Da war ich noch nie drin. Völlig überfordert lief ich im Autopilot-Modus die Gänge entlang. Bis mein Blick an etwas haften blieb. Wie Ultra gute Saugnäpfe an einer Fliese. Das wurde noch intensiver, je dichter ich kam. Ich flirtete richtig. Und dann ging alles ganz schnell. Wurde sogar richtig übergriffig. Ich stand in der Schlange, wartete bis man mich aufrief (so war das da nämlich) und verließ den Laden mit einem Rucksack für schlappe 1o Euro. Ist das die Möglichkeit?!
~ :) ~
Als ich wieder bei Pipacs war, zelebrierte ich das erstmal. Wer mich kennt, weiß womit. Richtig, mit Chips. Und ´ner Buddel Apfelcidre. Der Pfiffi bekam natürlich auch noch was zum Knuspern. Ich war im „Man gönnt sich ja sonst nix!“- Modus. Und ich war nicht die einzige.
Es war mir schon klar, dass da nochmal einige bewegende Momente auf mich zukommen werden. Momente, die mich ins Schaukeln bringen werden, mich auf den Boden werfen, mich leiden lassen und dass es heftig werden wird. Die letzten 6 Monate mussten einfach nochmal erlebt gelebt werden.
In meinen Gedanken war ich eben noch am Strand mit Blick aufs ruhige Meer. Die Sonne glitzerte auf der Wasseroberfläche. Und dann sah ich sie. Die emotionale Welle. Wie sie sich langsam vor mir auftürmte. FLATSCH! „Da bin ich! Brauchst nicht mehr warten, konnte doch schon früher!“ Damit hatte ich nun nicht gerechnet, dass dies gleich an dem Abend noch passieren musste. Und dann auch noch so heftig. Aui …
Es ist genau der Moment eingetroffen, den ich gefühlt hatte. Alleine sein. Mal für sich reflektieren. Fühlen. Leben. Zeit für sich haben, ohne Ablenkung. Die eigene Sicht auf manche Dinge umlenken und verändern. Positiv, wie immer. ;)
Es ist voll gut, gerade einfach mit meinen beiden Travelbuddies alleine zu sein. Ich kann das. Ich kann sehr gut mit mir alleine sein. Und ich genieße es sehr, diese Phase so egoistisch ausleben zu können.
~ Traum erfüllt und glücklich ~
Ich liebe das und habe ein mega breites lächeln im Gesicht. Uiihhhhaaaa (Pferdegewieher, ihr wisst schon)…;)
~ Hakuna Matata ~