_Erinnerungen_

„Ach du Scheiße! Wo kommen die denn alle her?!“ Nachdem wir uns auf der spanischen Seite gestärkt hatten und auch Herrn Anders eine Wäsche verpasst hatten, kamen wir am Praia do Cabeço an.

Nun ja, es stimmt, dass viele Deutsche die Wintermonate an der Algarve verbringen. Ob uns das hier so lange so gefällt. Mal sehen.

praia

Rückblickend hat es uns gefallen. Parkplatz direkt am Strand mit Strandbar. In der ich jeden Tag meine Powerbank aufladen durfte, da meine Elektrik mich etwas im Stich ließ. Das Dorf mit dem kleinen Konsum lud wirklich dazu ein, ein paar Tage zu verweilen. Wir haben den einzigen Schweden Henrik mit seinen beiden Hunden kennengelernt, Gabi und Bernd wieder getroffen und wurden sogar zum Essen eingeladen. Ist ja nix neues mehr, aber das was es zu essen gab. Bergeweise für wenig Geld. Na die Waage freut sich.

essen

Wir durchlebten

gute und schlechte Zeiten. So durfte ich den Findelhund von Sabine behandeln, was gut gewesen ist und leider hatte ich kein gutes Gefühl bei dem kleinen Wautz, was ein Tierarzt später bestätigt hatte und wiederum schlecht war. Das war ein wirklich grauer Tag.

hund

Ich hatte wieder begonnen aus Strandgut Dinge zu verbasteln und Chrystal hatte mich ermutigt sie zu verkaufen. Plong! Die Kasse hat tatsächlich geklingelt. Jeden Tag kamen immer wieder ein paar Leute und beobachteten und stellten Fragen und gaben mir sogar Aufträge. Na bitte! Es lohnt sich also doch manchmal dem Mutausbruch zu leben.

fische

auto

Nach ein paar Tagen hier am Strand ging mir dann doch allmählich die Lust zu bleiben aus. Vor allem, weil es mir vorkam wie in einer Soap. Es waren doch einige, die teilweise seit Monaten hier standen oder eben Monate hier stehen bleiben wollten. Viele kannten sich untereinander und es war mir einfach zu viel deutsches Temperament. Mir war es zu sehr übereinander her Gerede und da meine Reisefreunde Pipacs und Herr Anders eh mit mir auf einer Wellenlänge cruisen hatten wir kurzerhand beschlossen zu fahren. Und zwar mit Sabine und ihrem Wohnmobil.

fenster

car

Immer eben weg fuhren wir über Tavira, wo wir uns eine Nacht am Wasser mit Ratten teilten über Faro nach Quarteira. Hier hatten wir auch Dirk wieder getroffen, den wir in Praia do Cabeço kennengelernt hatten.

quarteira

Wir hätten direkt am Wasser stehen können. Traumhaft unter ein paar Bäumen, mit Wiese im Hintergrund und das Meer als Aussicht. Leider kam hier jeden Tag die Polizei und kontrollierte. Zu riskant. Also ab auf einen betonierten Campingplatz für drei Euro die Nacht und unser aller erster noch dazu. Sabine hatte uns eingeladen.

Drei Tage waren wir hier und die Sonne brutzelte uns durch. Wir haben die Zeit genutzt, um einfach mal die letzten anstrengenden Tage zu vergessen mit all dem Gewusel. Jeden Morgen gingen Pipacs und ich an den Strand, ich sprang ins kühle Nass und die kleine Fräulein Schwarz Punkt machte ihre Purzelbäume durch den Sand. Befreiend.

Und dann kam alles anders...

Am 1. Februar wurde unser Reisealltag plötzlich gestoppt. Einfach so. Wie ein Tape was zu Ende ist und der Kassettenrecorder KLACK! macht.

Ich kam gerade zurück vom Strand mit Pipacs und wollte Sabine und mir noch einen Kaffee kochen bevor wir weiter zogen. In dem Moment stand mein Bruder vor Herrn Anders und guckte um die Ecke. „Nicht erschrecken Anni!“ Ich dachte, woher kennt der Mann meinen Namen und warum sieht er auch noch aus wie mein Bruder?! …

Einen kurzen Augenblick brauchte mein Verstand bis ich realisierte, dass es wirklich mein Bruder gewesen ist. Völlig überwältigt kullerten mir Tränen der Freude über die Wangen. Ich fühlte mich unbeschwert leicht und wollte jauchzen wie ein kleines Kind an Weihnachten.

„Du bist bestimmt hier, weil du arbeiten musst ganz in der Nähe, oder?!“

Er hielt mich in den Armen. Fest und gleichzeitig als ob er sich selbst stützen muss. Ich fühlte wie sein Herz wummerte an meinem Ohr. Und die Zeit schien langsamer zu vergehen. Die Welt drehte sich im Schneckentempo. Und dann blieb sie für einen Moment stehen. Nichts schien zu passieren! … Ich stand da und fühlte den Rückspulmodus vom Kassettenrecorder… All die Momente, all die schönen Augenblicke liefen an mir vorbei. All die auf und ab's. All die Lacher, Seufzer, die Fernweh Momente und Heimweh Heuler.

fahrt

Unsere Reise ist vorbei. Angehalten. Abgebremst. Stehen geblieben. Meine Cousine ist eingeschlafen. Das Leben hatte sie enttäuscht.

In 26 Stunden sind mein Bruder, ein sehr guter Freund, Pipacs und Herr Anders aus dem Süden Portugals in die Mitte Deutschlands gefahren.

bett

Erinnerungen

Erinnerungen sind manchmal das einzige was bleibt.

Ich würde alles geben, nur um mit dir nochmal in deinem Zimmer zu sitzen und über das zu reden, was uns bewegt. Einfach wir. Verstehen, da sein, lachen, unbeschwert fühlen, wir sein, leben.

Erinnerungen, die bleiben.

Ich habe mich so unsicher gefühlt. Wollte diesen Tag, heute, hinaus zögern. Hatte Angst zu viel Schmerz ertragen zu müssen. Das die Erinnerungen mich zu hart treffen.

Hier zwischen all den Riesen und der Stille fühlt sich vieles oft nicht mehr ganz so beschissen an. Hier im Wald bin ich, Ich. Ich bin für mich. Vielleicht etwas allein und doch frei. Im Wald fühle ich mich vollkommen, mehr als sonst irgendwo. Einfach ich mit all meinen Sinnen. So wie ich bin.

Es ist, als ob die Welt für einen Moment aufgehört hat, sich zu drehen.

Genau wie jetzt. Wir sitzen in deinem Zimmer. Reden. Lachen. Philosophieren. Sind einfach wir.

In meinen Erinnerungen …

wald

Für meine Cousine …

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